Sie posten makellose Bilder, teilen persönliche Momente und bewerben die neuesten Trends: Influencer sind aus unserer digitalen Welt nicht mehr wegzudenken. Was für viele nach einem Traumjob klingt – flexibel, kreativ und gut bezahlt –, hat jedoch eine dunkle Kehrseite. Immer häufiger geraten Influencer ins Visier öffentlicher Kritik, die von Vorwürfen der Oberflächlichkeit bis hin zu handfesten Steuervergehen reicht. Doch wie gehen die Akteure selbst mit diesem massiven Imageproblem um? Eine aktuelle Studie aus Deutschland wirft ein neues Licht auf die Verteidigungsstrategien einer Branche, deren Ruf auf dem Spiel steht.
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Der Glanz verblasst: Ein Image im freien Fall
Einst galten Influencer als authentische Meinungsführer und vertrauenswürdige Berater. Sie zeigten sich nahbar, teilten ihr Leben und bauten eine enge Bindung zu ihren Followern auf. Doch dieser Glanz hat längst Risse bekommen. Die Vorwürfe sind vielfältig: Oftmals ist nicht klar ersichtlich, ob ein Beitrag bezahlt ist oder nicht. Studien zeigen, dass nur ein Bruchteil der kommerziellen Inhalte korrekt gekennzeichnet wird. Influencer bewerben Produkte, die sie nie selbst ausprobiert haben, oder empfehlen sie nur des Geldes wegen – Authentizität geht dabei verloren. Der Erwerb gefälschter Follower ist ein offenes Geheimnis, um bessere Werbedeals zu erzielen und Partner über die tatsächliche Reichweite zu täuschen. Viele Influencer propagieren zudem unrealistische Schönheitsideale und einen luxuriösen Lebensstil, der Neid schürt und insbesondere bei jungen Menschen zu Selbstwertproblemen führen kann. Hinzu kommt die Werbung für bedenkliche Produkte, von ungesunden Lebensmitteln bis hin zu Schönheitsoperationen, deren Förderung von Verbraucherschützern scharf kritisiert wird.
Das Ergebnis dieser Praktiken ist ein alarmierender Vertrauensverlust. Nur sechs Prozent der Briten vertrauen Influencern, und eine globale Umfrage stufte den Beruf des Influencers auf Platz 20 von 24 der am wenigsten respektierten Berufe ein – noch hinter Fabrikarbeitern oder LKW-Fahrern. Besonders in Ländern wie Deutschland ist das Image der Influencer miserabel.
Schmutzige Arbeit: Der Influencer-Beruf unter soziologischer Lupe
Wenn ein Beruf derart negative Assoziationen hervorruft, sprechen Soziologen von schmutziger Arbeit (dirty work). Dieses Konzept beschreibt Tätigkeiten, die aufgrund physischer, sozialer oder moralischer Gründe stigmatisiert sind. Influencer fallen klar in die Kategorie der moralisch stigmatisierten Berufe, da sie oft mit Täuschung und fragwürdigen Praktiken in Verbindung gebracht werden. Die Wahrnehmung ist eindeutig: In den Augen der Öffentlichkeit sind sie, was sie tun. Das heißt, die Handlungen einzelner Influencer prägen das Bild der gesamten Berufsgruppe. Doch wie gehen die Influencer selbst mit diesem Druck und der negativen Außenwahrnehmung um? Genau dieser Frage widmete sich eine aktuelle qualitative Studie mit deutschen Influencern.
Die Verteidigungsstrategien: Ablenkung, Abgrenzung, Aufwertung
Die Interviews mit deutschen Influencern offenbarten, dass diese sich ihres negativen Images sehr wohl bewusst sind. Um dem entgegenzuwirken und ihre berufliche Identität zu schützen, greifen sie auf verschiedene Stigma-Management-Strategien zurück. Eine Strategie ist die Umrahmung (Framing), bei der Influencer versuchen, ihrer Arbeit einen positiven Wert zu verleihen. Sie betonen etwa den kreativen Aufwand ihrer Content-Produktion und stellen sich auf eine Stufe mit anerkannten Kreativen wie Filmemachern oder Fotografen. Durch Neuausrichtung (Refocusing) lenken sie den Fokus von problematischen auf positive, nicht-stigmatisierte Merkmale ihrer Arbeit, etwa die vermeintlichen Vorteile der Selbstständigkeit. Eine gängige Taktik ist die Verhaltensvermeidung (Avoiding Behavior), bei der sie den stigmatisierten Begriff Influencer bewusst meiden und sich stattdessen als Content Creator oder digitale Künstler bezeichnen. Damit versuchen sie, sich von den negativen Konnotationen des Influencer-Daseins zu distanzieren. Manche Influencer greifen zur Verurteilung der Verurteilenden (Condemning the Condemners), indem sie ihrerseits die Kritiker kritisieren und deren Legitimität infrage stellen, etwa durch Unterstellung mangelnden Verständnisses für die Komplexität ihrer Arbeit. Eine häufig genutzte Strategie ist die Distanzierung von schwarzen Schafen (Blaming/Distancing from Clients). Das schlechte Image, so das Argument, gehe auf das Fehlverhalten Einzelner zurück und nicht auf den Beruf an sich. Diese Taktik dient dazu, die eigene Weste reinzuwaschen und die Verantwortung zu externalisieren.
Der reale Druck: Wenn das Finanzamt anklopft
Die Dringlichkeit dieser Imagepflege wird durch jüngste Entwicklungen verstärkt: In mehreren Bundesländern nehmen Steuerfahnder gezielt Influencer ins Visier wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Allein in Nordrhein-Westfalen laufen rund 200 Verfahren, und es geht um mögliche Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe. Diese Ermittlungen machen deutlich, wie eng Imagefragen heute mit rechtlichen und gesellschaftlichen Erwartungen verknüpft sind. Der Druck zur Professionalisierung und Transparenz kommt nicht mehr nur von der Öffentlichkeit, sondern auch von den Behörden.
Fazit: Mehr als nur Oberflächenkosmetik?
Die Studie zeigt deutlich, dass Influencer sich in einem Dilemma befinden. Sie sind sich des negativen Images bewusst, das ihnen anhaftet. Ihre Strategien, um dieses Stigma zu managen, sind jedoch primär defensiver Natur. Sie versuchen, das Bild durch Neudefinitionen, Abgrenzungen und die Betonung positiver Aspekte zu korrigieren. Die Frage bleibt, ob diese Strategien ausreichen, um das grundlegende Problem des Vertrauensverlusts zu lösen. Solange Praktiken wie verdeckte Werbung oder gekaufte Follower an der Tagesordnung sind, wird der Beruf des Influencers wohl weiterhin unter dem Verdacht der schmutzigen Arbeit stehen.
Die Studie liefert wichtige Einblicke in die Denkweise einer Berufsgruppe, die sich inmitten einer Identitätskrise befindet. Es wird spannend zu beobachten sein, ob und wie die Branche auf die wachsenden Forderungen nach Authentizität, Transparenz und ethischem Verhalten reagieren wird – und ob die schmutzige Arbeit des Influencers jemals ihren Makel verlieren kann.